Die Flohschachtel

Andere Zeiten andere Bräuche. Oder des Sonnenkönigs Schattenseiten. Davon erfahren habe ich im Italienischunterricht. Meine Lehrerin hat einen Wunsch: Durch Versailles Gärten und Säle flanieren, gekleidet wie einst Marie-Antoinette. In Schichten feinster wallender Stoffe. Aber damit hat es sich auch schon. Die Schattenseiten will niemand wiederaufleben lassen. Ist das reinste Gruselkabinett. Puder und Parfum statt Seife und Wasser, Stöckelschuhe damit man nicht in die Scheisse tritt.

Die Geschichte von der «scatola delle pulci», der Flohschachtel, gefällt mir. Kann man ausschmücken, Fantasie reinstecken, quasi modernisieren. Die Geschichte von der Flohschachtel, so etwas wie der Mausefalle von Versailles, geht so: Wenn der König umgeben von seinem Gefolge Hof hielt, war das auch ein Vergnügen für die Flöhe. Sie tanzten von Rockfalte zu Rockfalte, flogen von Perücke zu Perücke, und manch ein behandschuhter Finger oder eine beringte Hand versuchte das Ungeziefer aus einer Puderfalte zu klauben. Gelang das, wurde der Floh in ein Kästchen gesperrt, welches eigens für diesen Zweck in der Rocktasche mitgeführt wurde. Was danach mit den Biestern geschah, entzieht sich meiner Kenntnis. Auch, weshalb sie nicht einfach zerquetscht wurden.

Allein die Idee, eine Schatulle, ein Böxchen oder Schächtelchen mitzuführen, in welches ich alles Unliebsame, das mir tagsüber begegnet, einsperren kann, gefällt mir. Ein hübsches Blechdöschen mit emailliertem Deckel, gut isoliert und immer griffbereit im Hosensack, in der Handtasche oder auch nur imaginär in meinem Kopf. Bei Sturmwarnung halte ich es dann in den Wind, damit er all das Unliebsame davonträgt.

Und habt Ihr nun einen Floh im Ohr, geht und kauft die Schachtel dazu.

herzlichst
barbara esther

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