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der Tischnachbar

März 2024

Wann waren Sie zum letzten Mal in einem Hotel? Die Tische am Morgen und Abend von Hotelgästen besetzt. Zum Beispiel in der Skisaison. Zum Frühstück Pantoffeln, Trainerhose und Bauch. Wenigstens ist es still, nur die Kaffeemaschine zischt und die Löffel klirren. Müesli wird reingeschaufelt, Eier werden geköpft, Schnitten gestrichen.

Abseits der Schulferien sind vorwiegend Rentner und jüngere Paare ohne Kinder unterwegs. Abends ist es lauter als am Morgen. Bei Wein und Bier werden Erlebnisse getauscht – könnte man meinen. An einem Tisch wird Englisch gesprochen, am nächsten Baseldeutsch, am übernächsten Französisch. Grosse Tischrunden sind lauter, als kleine, nicht etwa, weil es mehr Leute sind, sondern weil man sich in einer Gruppe weniger gut kennt und sich mehr zu sagen hat. Wer lieber schweigt, ist zu zweit. Oft jedenfalls. Vertieft ins Handy, ins Essen oder in Träume von einem anderen Leben.

Ausser an dem Tisch mit dem Baseldeutsch sprechenden Paar, das zwischen dem Tisch mit den Engländern und den Welschen sitzt. Nicht hinhören, geht nicht, jedenfalls, wenn man Baseldeutsch versteht. Der Mann mit seiner Frau in den Winterferien muss viel loswerden. 30 Jahre Frust. Er will künftig keine Kompromisse mehr eingehen. Die Frau ist kaum zu hören. Sie spricht leise, versucht ab und zu etwas einzuwerfen. Wahrscheinlich wäre sie jetzt lieber an einem Tisch, an dem geschwiegen oder in der Gruppe diskutiert und gelacht wird. Ihr Unwohlsein ist bis zu uns, zwei Tische weiter, greifbar zu spüren. Als wir aufstehen und an ihnen vorbeigehen, kämpft sie sich tapfer durchs Dessert, das Gesicht unter einem Lockenkopf grauschwarzer Haare versteckt.

Wir sehen die Beiden nicht mehr. Am nächsten Morgen nicht und auch am Abend nicht. Vielleicht sind sie abgereist. Fast wünschte ich mir, sie sei allein gereist.

herzlichst
barbara esther

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kleine Geheimnisse

Februar 2024

Haben Sie Geheimnisse? Solche, die Sie auch Ihrem Gefährten, Ihrer Gefährtin und Ihrer besten Freundin nicht anvertrauen? Weil sie zu privat, zu peinlich sind, etwas, über das frau oder mann einfach nicht spricht?

Zum Beispiel, dass Sie den ersten Liebesbrief, den Sie in der fünften Klasse bekommen haben, noch immer aufbewahren? Ich habe meinen nicht mehr, wahrscheinlich weil ich ihn lieber nicht von M., sondern von dessen Banknachbar erhalten hätte. Der war nämlich der schönere, strohblond mit blauen Augen und der gescheiteste unter den Buben. Ich habe ihn vor kurzem im Fernsehen gesehen, ganz ohne blond. Er ist schlecht gealtert, hat Bauch und Glatze.

Damit sind wir bei einem weiteren Geheimnis, einem gut gehüteten und sehr verbreiteten.  Fast alle meinen Freundinnen färben sich die Haare.  Das sieht man nach einiger Zeit, wenn die Ansätze grau werden. Ich habe mir darüber nie Gedanken gemacht. Hätte immer lieber strohblondes als honigblondes Haar gehabt – meine Mutter auch, sie betonte immer, sie sei blond, und ich fand sie eher braun – aber eigentlich hatten wir dieselbe Haarfarbe. Aber Haare färben, dafür bin ich zu pragmatisch. Als sich bei mir langsam ein paar helle Fäden ins Honigblond schlichen, dachte ich schon, jetzt werde ich doch noch blond. Ist natürlich grau. Aber vor allem ist es echt.

Die Männer machen es sich einfach. Damit man die Glatze nicht sieht, rasieren sie sich kahl. Ist unheimlich männlich – und solange sie nicht mit einem Bart kompensieren – kann es auch sexy sein. Ist aber eine andere Baustelle.

Die richtigen Baustellen, zu denen komme ich jetzt. Manchmal bin ich ein wenig eitel, gibt ja Gelegenheiten, wo frau noch etwas hergeben möchte. Heute sind nicht mehr Sex, Drugs und Rock ‘n Roll schuld an meinen Augenringen. Meine Falten sind vielleicht darauf zurückzuführen. Aber jede einzelne ist hart verdient oder lustvoll eingegraben. 

Jetzt stehe ich vor der Wahl, will ich, dass man zu mir nur noch nett ist, weil ich eine alte Frau bin, oder ziehe ich mir heimlich ein paar Drugs anderer Art rein, um wieder glatt zu lächeln? Ich frage mich, wenn ich plus minus Gleichaltrige sehe, hatten die nie Sex, Drugs und Rock ‘n Roll oder hüten sie ein kleines Geheimnis?  – Ich hasse Baustellen. Bei mir wissen Sie, woran Sie sind.

herzlichst
barbara esther

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eine gute Wahl

Januar 2024

Das Jahr ist noch jung, aber ich habe schon viel gelernt. Zum Beispiel, dass der Mensch heute täglich so viele Informationen erhält, wie ein Mensch im Mittelalter während seines ganzen Lebens. Das sagt Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk in meinem Sonntagsblatt. Sie macht sich Sorgen, dass die Menschen in diesem Informationschaos die literarische Fiktion nicht mehr verstehen. Frau muss sich das mal vorstellen – und jetzt bekommen Sie von mir für den heutigen Tag auch noch Informationen – was das heisst. Im Mittelalter wurde ein Mensch durchschnittlich 35 Jahre oder 12’779 Tage alt. Bedeutet, dass heute ein 35 Jahre alter Mensch 163’302’841 Informationen erhalten hat. Jetzt nützt mir eine zweite Information, auf die ich dieses Jahr gestossen bin, das Paretoprinzip. Es besagt, dass 80 Prozent aller Dinge mit 20 Prozent aller Energie erledigt werden können. Für die restlichen 20 Prozent braucht es dann 80 Prozent aller Energie. Ziehen wir in Betracht, dass Ferdinand von Schirach, von mir sehr geschätzter Autor und Anwalt, das Paretoprinzip so auslegt, dass 80 Prozent von allem Mist ist, müssen wir uns noch um 20 Prozent oder 32’660’568 Informationen täglich kümmern. Wie viele Informationen ein Mensch täglich aufnehmen kann, konnte mir KI nicht beantworten.

Müssen Sie wissen, was Sie gerade gelesen haben? – Schön, haben Sie trotzdem bis hierher gelesen. Interessant ist ja die Frage, welche Informationen hängen bleiben, und welche nicht bis zu uns durchdringen, oder sofort wieder vergessen gehen. Anders als KI, die masslos Informationen in sich hineinstopft und wieder ausspuckt, wählen unser Hirn und Herz aus. Es bleibt gespeichert, was wir brauchen, und was uns erfreut. Hat es vom Zweiten nicht genug, greifen wir zur Fiktion, sei es zur eigenen oder zur literarischen. Olga Tokarczuk muss sich keine Sorgen machen.

herzlichst
barbara esther

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ein Zeichen

Dezember 2023

Das kennen Sie auch – sofern Sie sich ab und zu eine Schnulze gönnen. Die Sonne durchbricht die Wolken genau in dem Moment, als die verzweifelte Protagonistin sich aus dem Fenster stürzen will. «Ein Zeichen», ruft sie und steigt vom Fensterbrett. In einem anderen Film begegnet sie, kurz bevor sie in eine arrangierte Ehe einwilligen soll, dreimal hintereinander einem ebenso charmanten wie ominösen Fremden. Ein Zeichen auch das, ist sie überzeugt.

Ich kann Ihnen versichern, Zeichen gibt es auch im richtigen Leben. Jemand hat Bilder von dicken Frauen, die dünn geworden sind, in mein Social-Media-Konto geschmuggelt. Ich könnte auch sagen, irgendwer hat mein Konto gehackt. Wer auch immer, das muss ein Zeichen sein. Nicht, dass ich abnehmen soll, das habe ich schon. Es ist ein Zeichen, das mir sagt, dass ich dieses Konto nicht brauche. Machen wir Buchhaltung. Wenn ich in den letzten zehn Jahren zwei Stunden pro Woche auf diesem Social-Media-Kanal herumgelungert bin, sind das über 500 Stunden. Zwei Wochen Ferien, Sonne, Wind und Wellen, kühle Drinks und Lachen mit Freunden, sind 336 Stunden. Oder eine Stunde pro Tag Couchsurfen entspricht zwei Wochen Meersurfen pro Jahr. Noch Fragen? Genau eine: Wie lösche ich dieses Couchsurfkonto am schnellsten?

Wenn ich es herausgefunden habe, sage ich Ihnen ins Gesicht, dass Sie mir gefallen, und brauche den Daumen höchstens noch zum Klingeln an Ihrer Tür. Was nützen mir ein paar hundert virtuelle Freunde, wenn ich mit jemandem reden, lästern, spielen, lachen oder kuscheln will? Ich freue mich auf die wiedergewonnene Zeit, ich werde sie mit Freude und Freunden füllen. Vielleicht auch nur mit Nichtstun oder aus dem Fenster schauen und davon träumen, wo alles ich noch Surfen werde.

herzlichst
barbara esther

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Irrtümer und andere Wünsche

November 2023

«Mein Freund sagt, Du hättest ihm zugezwinkert.» Sie sagte das leicht vorwurfsvoll, vor allem aber erstaunt. Ich staunte auch. Sie war meine Banknachbarin in der Oberstufe, ihr Freund alter österreichischer Adel. Sie hatte ihn vor kurzem kennengelernt. Es war ihr erster Freund. Am Klassenfest stellte sie ihn vor. Ich erinnerte mich kaum. Aber ich blinzle viel. Damals und heute. Ich habe trockene Augen. Auch wenn mir Prinzen vorgestellt werden, für die ich keine Schwäche habe. Jedenfalls heiratete meine ehemalige Banknachbarin den Prinzen. Zehn Jahre und zwei Kinder später war er weg. Vielleicht, weil eine mit einer Schwäche für Prinzen zwinkerte.

Flirten ist ein wunderbares Spiel. Fördert das Selbstbewusstsein, regt die Blutzirkulation an, testet die Schlagfertigkeit. Aber nicht ganz ungefährlich. Früher nicht und heute erst recht nicht. Überhaupt wird heute viel weniger geflirtet. Und das hat nicht nur mit dem zunehmenden Alter oder einer langen Beziehung zu tun. Wohl aber mit #MeToo. Mann verzichtet lieber auf das Spiel mit dem Feuer als sich die Finger zu verbrennen.

Übrig bleibt das Nett sein. Ich meine jetzt nicht die Netten, die immer und überall zu allen gleich nett sind und vor Nettigkeit triefen. Ich ziehe definitiv diejenigen vor, die mir heute sagen, du nervst, und morgen, du bist wunderbar. Mit Ehrlichkeit kann ich umgehen. Bei den Netten rutsch ich an der glatten Oberfläche ab.

Ich meine die echt Netten, die frau einfach mag, die ihr das Gefühl geben, respektiert und ernst genommen zu werden oder gar etwas Besonderes zu sein. Es sind die besten Verkäufer, die geliebtesten Lehrerinnen, die geschätztesten Arbeitskollegen. Ein Lächeln, ein Kompliment, ein freundschaftlicher Schubs in die Seite. Ist der Flirt zurück oder macht er das mit allen so?

Mir kommt der alte österreichische Adel in den Sinn. Ein Irrtum nur, vielleicht hätt er sichs gewünscht. Ein kühner Traum, das Aug bleibt trocken.

herzlichst
barbara esther

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Achterbahn

Oktober 2023

Unsere Nachbarskinder sind im Vergnügungspark. Sie fahren Achterbahn. Freiwillig juchzend, glucksend, das Herz hüpft, den Magen lüpfts. Ich fühle mich in Zeiten wie diesen auch auf einer Achterbahn, weder freiwillig noch juchzend, eher himmelhochjauchzend zu Tode betrübt. Und das ohne manisch-depressiv zu sein. Ich habe nur das Gefühl die Welt um mich herum dreht nicht mehr rund.

Ich verbringe ein paar Tage im Alpental, lache mit Gleichgesinnten, greife nach den Sternen, fühle mich frei und ungebunden. Gleichzeitig fallen in der Ukraine weiter Bomben, flüchten Menschen, verlieren Liebste. Ich fahre unter blauestem Himmel durch die Dreiseenlandschaft, bade im spiegelglatten glitzernden Wasser und weiss nicht, dass in diesem Moment im Nahen Osten Terroristen brutal Zivilisten überfallen.

Das Klima spielt verrückt, die Menschen auch. Abbrechen und ausbrechen, um wieder aufzubrechen, immer wieder und trotz allem. Sich eine Atempause, eine Auszeit gönnen, ein kleines Glück einfangen, so wertvoll, um das Realität gewordene Unvorstellbare auszuhalten.

Balance halten in Zeiten wie diesen, wo sich die Welt zur Achterbahn wandelt.

herzlichst
barbara esther

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Hamsterrad

September 2023

Die Arbeitswelt ist aus den Fugen geraten. An den Flughäfen fehlen Buschauffeure, Büros sind verwaist. Einsame werden im Homeoffice noch einsamer und im Büro erst recht, da dort keiner mehr ist. Berufe, für die bis vor Kurzem niemand Verwendung hatte, schiessen ins Kraut. Kennen Sie eine Abfalldesignerin, einen Aquaponik-Fischfarmer, eine Roboterberaterin oder einen Personalentwickler?

Gerade letzteren verdanken wir kreative Veränderungen am Arbeitsplatz. So stellen Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden ein Laufband zur Verfügung. Um es unter den Schreibtisch zu stellen. Bewegung fördere die Gesundheit, vorausgesetzt die Mitarbeitenden können Multitasking. Stellen Sie sich vor, Sie marschieren auf diesem Band und telefonieren mit einem Kunden oder konzentrieren sich auf einen Brief. Gleichzeitig läuft das Band mit bis zu 3.5 km/h. Können Sie diesen Rhythmus einhalten und gleichzeitig konzentriert und empathisch mit Ihrem Kunden reden? Oder im Takt Ihres Marsches einen Brief schreiben? Wenn nicht, werden Sie unweigerlich stolpern – mit den Füssen oder mit dem Kopf. Um solche Unfälle zu verhindern, wird die nächste Phase dann das Hamsterrad für die Pause sein. Die, welche mit dem Fahrrad oder zu Fuss ins Büro gehen, dürfen in der Pause weiterhin Kaffee trinken.

Bewegen, Stress abbauen, Koordination trainieren – während der Arbeitszeit und mit Sofortwirkung. Das geht. Auf meinem Schreibtisch steht jetzt eine Boxbirne. Mühsamer Kunde, nerviger Chef – eine rechte Gerade, zielgenau und kraftvoll – kostet mich ein Lächeln.

herzlichst
barbara esther

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grenzenlos

August 2023

«Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein». Wer kennt es nicht, das Lied von Reinhard Mey aus dem Jahr 1974. Die Realität aber ist eine andere. Begrenzter Raum im Flugzeug, Blick auf die Wolken nur durch ein kleines Oval. Kein Rauskommen, kein sich in die Wolken fallen lassen. Kein Tanz im fluffigen, weichen Weiss. Kein schwereloses in den Himmel Träumen. Klaustrophobie statt Freiheit. Die Realität setzt Grenzen. Über und unter den Wolken. Staatsgrenzen, Gartenzäune, Fremdsprachen und all die eigenen Grenzen, von der Gesundheit über die Intelligenz bis zum Portemonnaie. Tatsachen, die Grenzen schaffen.

Passt nicht. Ist nicht schön. Zurück auf Feld 1.

 «Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein», sang einst Reinhard Mey und singt er heute noch, und wir halten uns fest daran. Ich schaue aus dem Fenster. Bis zum Horizont schieben sich Wolken und Wölkchen über- und untereinander, zirrenfein und watteweich. Im Westen leuchten sie rosig rot in der untergehenden Sonne. Ich stelle mir vor, ich steig aus und ich dreh mich schwerelos im Himmelsrund. Luftschlösser ringsherum. Ich hebe ab, ich träume. Alles ist gut im Hier und Jetzt.  Unendlich, masslos, bodenlos – Gefühle sind grenzenlos, so denn wir sie zulassen.

Passt. Ist schön. Ich bleib auf Wolke 7. Da, wo sich Grenzen sprengen lassen und Träume grenzenlos sind.

herzlichst
barbara esther

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Insel der Sonnenuntergänge

Juli 2023

Nein, ich schreibe jetzt keinen Kitschroman. Wobei manchmal darf ein bisschen Kitsch schon sein. Wenn denn Natur Kitsch ist. Ich war kürzlich auf der Partyinsel. Das ist ein Vorurteil, und Vorurteile lohnen sich insofern, als sie uns Türen öffnen, durch welche frau nie hatte gehen wollen.  So habe ich die Vororte und Partyplakate aufs Schnellste hinter mir gelassen und im Hafen das Schiff bestiegen. Ohne Zögern haben wir die Leinen gelöst, und sind durchs Blaue ins Türkise gesegelt, wo bald der Anker fiel, und ein neues Farbenspiel begann. In zartestem Gelb über Orange und Rot bis ins dunkelste Violett sank die Sonne ins Meer. Ein solcher Kitsch war selbst der Natur zu viel. Wir lasen tags darauf, dass die Rauchwolken der kanadischen Waldbrände das Mittelmeer erreicht haben und mit ihren Partikeln das Farbspektrum multipliziert haben.

Dennoch dem Zauber der Sonnenuntergänge unterliegt die ganze Insel. Scharen von Menschen pilgern jeden Abend an die Westküste. Ob auch Partygängerinnen darunter sind, weiss ich nicht. Ich glaube viel eher, an der Westküste finden die eigentlichen Partys statt. Mit Bussen, Schiffen, Autos, Fahrrädern oder zu Fuss machen sich die Menschen auf, und lassen sich an den Stränden nieder. Dicht an dicht sitzen, stehen sie, still, andächtig. Manchmal schallt klassische Musik übers Wasser. Und wenn die Sonne dann im Meer versunken ist, klatscht die Menge dem wahren Popstar der Insel zu. Hühnerhautmoment, sich staunend einlullen lassen von diesem Ritual, das, ich weiss es nicht, vielleicht auf die alten Hippies zurückgeht, die die Insel seit den 60iger Jahren immer noch bevölkern, und in uns die Sehnsucht nach der Sehnsucht weckt.

herzlichst
barbara esther

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Kind der Sterne

Juni 2023

Welch schöner Titel für ein schönes Buch. Kind der Sterne, oder wo die Zeit geboren wurde. Die Sonne gibt uns Tag und Nacht vor, der Mond die Gezeiten, die Umlaufbahn der Erde die Jahreszeiten. Einmal rundherum ergibt ein Jahr. Von Vollmond zu Vollmond vergeht ein Monat. Von Sonnenaufgang zu Sonnenuntergang und wieder zu Sonnenaufgang sind es 24 Stunden. Die alten Ägypter haben die Zeit mit der Sonnenuhr gemessen, die 24 Stunden Einteilung geht auf die Babylonier zurück. Bereits die ersten Hochkulturen auf der Erde haben die Zeit zähmen wollen. Das schöne Buch «Horology, a Child of Astronomy» / «L’horlogerie, fille de l’astronomie», von mir zugegeben etwas frei übersetzt, habe ich denn auch in einem Uhrenmuseum gefunden.

Jetzt, wo wir uns unter dem Sommerhimmel ins noch warme Gras legen können, fühlen wir uns den Sternen besonders nah. Das ist allerdings ein Wunschtraum. Der Andromedanebel ist 2’500’000 Lichtjahre von uns entfernt. Wenn wir ihn heute ansehen, ist sein Licht so unvorstellbar lange Zeit unterwegs gewesen, dass er sich inzwischen verflüchtigt, verdichtet oder sonst verändert haben könnte. Um das Rätsel der Sterne zu lösen, reicht ein Menschenleben nie, vielleicht nicht einmal die Lebensdauer der Menschheit. Zeit ist relativ und mathematisch höchst komplex und geht über den Hirnhorizont der meisten Menschen hinaus.

Der Horizont des Herzens reicht immer bis zu den Sternen. Wer eine Sternschnuppe sieht, darf sich etwas wünschen. Und als mir vor langer Zeit mein Liebster einen Stern vom Himmel holen wollte, schlug mein Herz höher. Erinnerungen sind zeitlos.

Ich wünsche allen eine gute Zeit. 

herzlichst
barbara esther

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