Maulwürfe im Quartier

Sie graben. Überall im Quartier hat es Erdhaufen und rotweisse Absperrungen. Die sonst schon engen Strässchen werden noch enger, die Autofahrerinnen müssen zirkeln, um keinen Spiegel wegzufegen und kein Rad in den Sand zu setzen. Wie das die Müllabfuhr schafft, ist mir ein Rätsel, aber diese Chauffeure haben eine besondere Gabe auf minimalstem Platz zu manövrieren.Kreuzen im Quartier war schon immer eine Herausforderung, manchmal auch eine unheimliche Begegnung. Wir haben aussergewöhnlich viele Autos, die keinen…

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Kein Heimweh

Sie kenne kein Heimweh, nur Fernweh. Und ich hatte gedacht, sie sei wegen des Heimwehs zurückgekehrt.Ich habe in dem Jahr, in dem ich zwölf Jahre alt wurde, begonnen jeden Tag in die Stadt zu fahren. Die Stadt, die mich lieben und leiden lehrte. Als ich Jahre später wegzog, war es wegen der Liebe.Dieser Tage bin ich wieder einmal in die Stadt gefahren. Das Haus auf dem Hügel auf Dreiviertelstrecke thront noch immer dort, als könne…

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neu

«Neu», drei Buchstaben, ein Versprechen. Für etwas, das ich nicht kenne, für etwas, das für meine Zukunft alles oder nichts bedeuten kann. Für etwas, das ich im besten Fall selbst auswähle, mir im schlechtesten Fall aufgedrückt wird. Der Duden hat für «neu» 42 Synonyme. Suchen Sie sich eines aus: Anders, fremd, frisch, ungewohnt, unbekannt, jungfräulich, unbenutzt, ungebraucht, ungetragen…Kennt jemand noch das Lied «Alles neu macht der Mai»? Hermann Adam von Kamp hat den Text 1818…

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Die Brücke

Brücken bauen, Brücken hinter sich abbrechen. Beides kommt vor, beides muss manchmal sein. Eine Brücke ist ein Bauwerk, das über ein Hindernis gebaut wird. Das steht im Klexikon, der Wikipedia für Kinder. Eine schöne Definition, da sie nicht nur für reale Bauwerke gilt, sondern auch für mentale. Ich habe in dem Dorf im Hochtal, wohin ich öfters zum Schreiben fahre, meine Lieblingsbrücke gefunden. Es gibt dort drei Brücken. Die alte gedeckte Holzbrücke unten im Dorf…

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Aufräumen

Ich könnte spazieren gehen. Eine Freundin anrufen. Den Krimi zu Ende lesen. Wir kennen das alle. Prokrastinieren wird inzwischen so oft gebraucht, dass ich nicht mehr googlen muss, um zu wissen, was es heisst. Ich bin eigentlich besser im präkrastinieren, möchte immer alles sofort erledigt haben. Nur wirklich schwierige Dinge, die quasi weichgekocht werden müssen, schiebe auch ich auf. Aber das wissen wir alle, die wenigsten Dinge erledigen sich von selbst. Irgendeinmal müssen wir ran.…

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Rosinenpicken

Es gibt sie, die Nachrichten jenseits von Krieg und Boulevard, von Machtlüsternheit und Fakes. Es gibt sie, die lesenswerten Zeitungen, in welchen sich Geschichten finden, die nachhallen, weil aus der Zeit gefallen, unerwartet, berührend, lustig oder bedenklich. Da war auf watson von dieser Rentnerin zu lesen, die über Nacht in der Migros Pruntrut eingeschlossen war.  Da stand sie - stelle ich mir vor - mit ihrem Rollator hinter einem Gestell auf der Suche nach dem…

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hoffnungslos besser leben

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Das wissen wir alle, die meisten kennen das auch. Aber haben Sie schon darüber nachgedacht, ob das gut ist? Seit heute denke ich darüber nach. Seit Christoph Zürcher in der NZZ am Sonntag schreibt, es sei falsch, die Hoffnung nie zu verlieren. Denn wer ohne Hoffnung ist, den kann nichts mehr erschüttern.Die Frage, ob Hoffnung gut oder ein Übel ist, ist sozusagen eine Urfrage, sie kommt noch vor der Erbsünde, noch…

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KI kondoliert

Ich gehe nie zum Coiffeur. Vielleicht ist das ein Fehler. Denn Coiffeur ist mehr als Haare schneiden und Klatschmagazine. Meine Freundin mit den kurzen Haaren geht oft hin. Letztens hat ihr Coiffeur ihr Folgendes erzählt: Eine Kundin habe ihm anvertraut, dass sie eine Kondolenzkarte mit KI (künstlicher Intelligenz) geschrieben habe. Während er die grauen Haare meiner Freundin sanft auf braun trimmte, haben die beiden sich gefragt, ob mit KI kondolieren, moralisch, ethisch vertretbar ist. Dem…

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was sonst nur anderen passiert

Da stehe ich vor dem offenen Kleiderschrank und habe keinen Plan. Wenn es darum ginge, ein Kleid fürs Abendessen, die Sitzung von Morgen oder, von mir aus, fürs erste Date zu finden, es wäre einfach. Hier und jetzt stehen drei Feuerwehr- und zwei Polizeiautos vor der Tür. Das Blaulicht haben sie inzwischen ausgeschaltet. Sie, das sind mindestens ein Dutzend Personen von Stadt und Kanton und der, der das Kommando hat, teilte soeben mit: «Gefahr im…

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schockverliebt

Schockverliebt. Ein Wort, das man sich nicht auf der Zunge zergehen lassen kann. Es verhakte sich zwischen den Zähnen wie Fischgräte. Zum ersten Mal habe ich es im Zusammenhang mit einem kleinen Schwein gehört. Wir gingen über die staubige Strasse, der Himmel hing tief über die Insel, der Wind trieb immer wieder Regentropfen vor sich her. Dann sahen wir sie. Rechts im hohen Gras, eine grosse Muttersau und ihre sieben oder acht Ferkel. Rostrotes Fell…

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nichts

Können Sie nichts tun? Nichts machen, nichts denken, nichts sehen, nichts hören. Wann haben Sie es zum letzten Mal versucht? Die Augen geschlossen, aufs Wasser, in den Himmel oder auf eine Wand gestarrt. Den Stecker zu allen Synapsen gezogen. Sich bequem hingelegt, sich entspannt und langsam eingeatmet, ausgeatmet. Sie sind nicht eingeschlafen, Sie haben sich ins Nichts fallen lassen. Erinnern Sie sich ans Loslassen? Wissen Sie, wie sich nichts tun anfühlt? Ich finde, nichts ist…

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Seilschaften

Früher oder später erzählen Schweizerinnen und Schweizer am Meer immer von den Bergen. Skifahren, wandern, welche Pisten, welche Wege, welche Berge. Ist es Heimweh, wenn am Abend im Schiff nicht Seemannsgarn, sondern Berglegenden die Runde machen? Wenn Geschichten übers Val d’Anniviers oder das Engadin ausgegraben werden, während die Crew im Mittelmeer, vor den Kanalinseln oder in der Karibik am Anker hängt. Ich habe es bisher nie verstanden, mich immer ein wenig geärgert. Ich fahre ans…

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