Narkoseausleitung

Es gibt Wörter, an denen bleibt man hängen. Weil sie anders sind. Narkoseausleitung ist so eins. Greta wusste nicht, ob sie es verwenden soll. Ich habe die Anästhesistin vor kurzem kennengelernt. Sie will ihre Erlebnisse im Operationssaal aufschreiben. Wir haben in einer Schreibwerkstatt darüber diskutiert, wie viele Fachwörter sei verwenden darf, dass es authentisch, aber noch verständlich bleibt.

Ich finde, sie sollte das Wort gebrauchen. Allein, weil es besonders ist. Mir kommt ganz viel in den Sinn. Ist die Narkose vorbei, höre ich noch aus der Ferne eine Stimme, die mich zurückholt. Meistens eine Frau, es ist vorbei, sagt sie. Ich atme allein, fühle mich wohlig warm, als hätte ich tief und fest und behütet geschlafen. Gerne mehr von dem Wundermittel.

Medizinisch, sagt Greta, ist das Ende der Narkose genau wie der Anfang, heikel. Wie der Start und die Landung beim Fliegen, das An- und Ablegen mit dem Schiff, wie der erste Schultag und die Abschlussprüfung, wie Anfang und Ende einer Beziehung, wie Geburt und Tod.

Anfänge und Enden erleben wir täglich, bewusst nur, wenn sie eine besondere Bedeutung haben, einen speziellen Effort verlangen. Erwachen ist Ende und Anfang in einem. Ende des Schlafs, eines schönen Traums oder eines Alptraums. Beginn eines neuen Tages, Vorfreude auf eine Begegnung oder sich der Realität stellen.

Angela unsere Schreibwerkstattleiterin hat spontan und ganz ihre Art Narkoseausleitung als Titel einer Liebesgeschichte vorgeschlagen. Wenn Wolke sieben flöckelt, die Schmetterlinge welken und der Morgen graut…müssen wir uns neu erfinden.

herzlichst
barbara esther

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