Sie kenne kein Heimweh, nur Fernweh. Und ich hatte gedacht, sie sei wegen des Heimwehs zurückgekehrt.
Ich habe in dem Jahr, in dem ich zwölf Jahre alt wurde, begonnen jeden Tag in die Stadt zu fahren. Die Stadt, die mich lieben und leiden lehrte. Als ich Jahre später wegzog, war es wegen der Liebe.
Dieser Tage bin ich wieder einmal in die Stadt gefahren. Das Haus auf dem Hügel auf Dreiviertelstrecke thront noch immer dort, als könne ihm keine Zeit etwas anhaben. Vorne mit Blick auf die Aare, hinten auf die Züge. Nur das Haus steht still, krallt sich in seinen Hügel, während draussen alles fliesst und flieht.
Auf der Einfahrt über die Brücke in den Bahnhof fühlt es sich an wie immer, ich erkenne sie wieder, meine Stadt, Programm heimkommen hat automatisch gestartet. Jetzt will ich es wissen. Ich steige in den Bus, in den ich mit zwölf immer stieg, auf den ich öfters rannte und den ich ab und zu knapp verpasste. Es ist jetzt die 20, nicht mehr die 12, die Haltestelle ist dieselbe. Die Häuser sind alle noch da, die meisten aufgehübscht. Der Stadt geht es besser als der, in welcher ich heute wohne. Ich suche die Hausnummer 23. Hier wohnte ihr Leben lang meine Gotte. Ihr Sohn hatte ein braunes und ein blaues Auge. Meine Augen fliegen über die Namen auf den schwarzen Täfelchen. E. Roth im dritten Stock fehlt. Natürlich. Sie müsste über 90 sein. Das letzte Mal sah ich sie beim Begräbnis meiner Mutter. Das ist ein paar Jahre her. Sie hatte ein Hündchen dabei, das sei nun ihre Gesellschaft, sagte sie.
Mein Heimweh nach der Stadt ist nur noch ein Gefühl. Die Stadt wie ich sie lebte, gibt es nicht mehr, auch wenn die Kulissen noch stehen. Mein Heimweh ist zum Fernweh geworden. Ich beginne zu verstehen, weshalb sie kein Heimweh kennt, nur Fernweh.
herzlichst
barbara esther
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