«Neu», drei Buchstaben, ein Versprechen. Für etwas, das ich nicht kenne, für etwas, das für meine Zukunft alles oder nichts bedeuten kann. Für etwas, das ich im besten Fall selbst auswähle, mir im schlechtesten Fall aufgedrückt wird. Der Duden hat für «neu» 42 Synonyme. Suchen Sie sich eines aus: Anders, fremd, frisch, ungewohnt, unbekannt, jungfräulich, unbenutzt, ungebraucht, ungetragen…
Kennt jemand noch das Lied «Alles neu macht der Mai»? Hermann Adam von Kamp hat den Text 1818 gedichtet, die Melodie wurde später für das Kinderlied «Hänschen klein» verwendet. Und laut wikipedia soll «Alles neu macht der Mai» 1912 in Preussen für den Unterricht in der zweiten Klasse gesetzlich vorgeschrieben gewesen sein. Jetzt habe ich mich ablenken lassen. Manchmal machen sich die Gedanken selbständig, wandern von einem zum anderen, dann werde ich neugierig und Google muss her. Heute kommt man viel zu einfach zu neuen Erkenntnissen, auch über Dinge, die man eigentlich gar nicht hätte wissen wollen. Deshalb vergisst man vieles wieder, manchmal das Falsche. Einen Schubladensortierer oder Filter fürs Gehirn sollte jemand erfinden.
Bevor ich es vergesse. Ich wollte von meinen neuen Sneakers erzählen. Jungfräulich, faltenfrei, sauber und weiss sind sie. Ich wollte sie für meinen letzten Arbeitstag an der alten Stelle anziehen. Das fand ich dann allerdings absurd. Etwas Neues muss ich am ersten Tag nach dem letzten Arbeitstag anziehen. Um jungfräulich, faltenfrei (na, ja…) aber sauber und rein das neue Leben zu beginnen. Am ersten Tag danach hat es geregnet, ich zog sie nicht an, am Tag darauf nahm ich das Velo, wollte sie nicht verschmutzen. Jetzt stehen sie immer noch da, ungetragen und warten auf mich. Auf was warte ich? Wann ist der richtige Moment etwas Neues zu beginnen? Es ist wie auf dem Sprungbrett in der Badi. Je länger man oben steht und runter schaut, desto weniger traut man sich zu springen. Wenn ich jetzt auf eine spezielle Gelegenheit für meine Schuhe warte, und dann die spezielle Gelegenheit, aus welchen Gründen auch immer, nicht speziell, sondern vielleicht sogar sehr unspeziell wird, dann werde ich die Schuhe nie mehr tragen.
Vielleicht soll man sich gar nicht so viele Gedanken machen, oder die Gedanken selbständig werden lassen. «Alles neu macht der Mai» ist kein schlechtes Motto, es ist schliesslich Frühling und der verleiht Flügel, nicht nur den Gedanken, vielleicht auch meinen neuen Schuhen.
herzlichst
barbara esther
newsletter abonnieren