Beim Durchblättern einer juristischen Zeitschrift bleiben die Worte «Recht auf Reisen» hängen. Eine Buchbesprechung, die ich vorerst nicht weiter beachte. Ausgedörrt von der pandemiebedingten Meerabstinenz, lechzend nach Wellenrauschen, Wind im Haar und Salz auf der Haut, fragt sich mein Juristinnenverstand, ob das Recht auf Reisen Menschenrecht ist. Antwort: Artikel 13 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gibt jedem Menschen das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen sowie jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren. Dabei gibt es legitime Einschränkungen: Die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit darf nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren. Beispiele für legitime Einschränkungen sind: Zwangsevakuierung aus einem Katastrophengebiet, Errichtung von militärischen Sperrzonen oder die Errichtung von Sperrzonen aufgrund von Epidemien.
Nein, ich schreibe weder über Zertifikat noch Impfpflicht. Im Buch «Recht auf Reisen» («Wie das Recht auf Reisen geht» von Jens Drolshammer und Rolf H. Weber, Stämpfli Verlag AG) geht es nämlich nicht um ungestillte Sehnsüchte nach fernen Ufern. Es reist das Recht selbst durch Zeit und Raum. Recht ist Kultur. Zum Kulturaustausch gehört Rechtsaustausch. Und die Erkenntnis, dass Recht und Gerechtigkeit nicht dasselbe sein müssen. Bei uns und anderswo. Wenn in der Schweiz 51 von 100 etwas wollen, müssen sich 49 fügen, auch wenn sie es nicht gerecht finden. So sind die Regeln. Gibt es gerechtere?
Und jetzt nehme ich mir das Recht zu Reisen. Ist für Juristinnen Pflicht, weil Weiterbildung.
herzlichst
barbara esther
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