Vielversprechend, alles möglich, Platz bis zum Horizont, Zeit ohne Ende. Ein leeres Blatt Papier, ein Tag ohne Agenda, der Vorabend der Ferien, der Glockenschlag ins neue Jahr. Hoffen, träumen, freuen, atmen. Der Beginn von etwas Neuem bewegt. Ob ein neues Buch oder nur ein neues Kapitel, Hauptsache Aufbruch. Mein Lebensbuch ist zu dick, um es wegzulegen. Aber die Seite umdrehen, ein neues Kapitel beginnen, alles anders machen, alles besser machen, alles weitermachen, alles stehen lassen? Grosse Kreuzung und kein Wegweiser, kleiner Abstecher oder nur eine Abkürzung?
Wenn um Mitternacht die Glocken schlagen, ich auf dem Balkon stehe, die kalte Nachtluft im Gesicht und der leise Wind das alte Jahr mitnimmt, fühle ich mich leicht, beschwingt und beschwipst. Nicht nur vom Champagner, auch von der puren Wonne des Neuanfangs. Der Schnee ist frisch, der Sand ohne Spuren. Das Gefühl des alles-ist-noch-möglich auskosten, die Leichtigkeit geniessen, das Glas leeren und traumlos ins den ersten Morgen hineinschlafen.
Wenn dann aber die letzten Töne des Radetzkymarschs verklungen sind, ist die Schonfrist vorbei. Das Neujahrskonzert der Wiener PhilharmonikerInnen ist Pflicht, verpasst habe ich es nur zweimal. Zwei wunderschöne Male, als ich auf den Seychellen in den Sommer hinein segelte, und als ich in der Karibik das Kreuz des Südens entdeckte. Da brauchte ich keine blaue Donau und keinen Radetzkymarsch, der mich ins neue Jahr hineinschubste. Hierzulande aber steht mit dem Neujahrskonzert fest, das neue Jahr ist da. Jetzt heisst es loslegen, vorwärts gehen, lächeln. Bitte ohne Vorsätze, die machen nur Stress. Und der alles–wie-immer-Trott kommt schnell genug. Aber vorerst glaube ich an ein bisschen grüner, sonniger, luftiger, gemütlicher.
herzlichst
barbara esther
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