Das kennen Sie auch – sofern Sie sich ab und zu eine Schnulze gönnen. Die Sonne durchbricht die Wolken genau in dem Moment, als die verzweifelte Protagonistin sich aus dem Fenster stürzen will. «Ein Zeichen», ruft sie und steigt vom Fensterbrett. In einem anderen Film begegnet sie, kurz bevor sie in eine arrangierte Ehe einwilligen soll, dreimal hintereinander einem ebenso charmanten wie ominösen Fremden. Ein Zeichen auch das, ist sie überzeugt.
Ich kann Ihnen versichern, Zeichen gibt es auch im richtigen Leben. Jemand hat Bilder von dicken Frauen, die dünn geworden sind, in mein Social-Media-Konto geschmuggelt. Ich könnte auch sagen, irgendwer hat mein Konto gehackt. Wer auch immer, das muss ein Zeichen sein. Nicht, dass ich abnehmen soll, das habe ich schon. Es ist ein Zeichen, das mir sagt, dass ich dieses Konto nicht brauche. Machen wir Buchhaltung. Wenn ich in den letzten zehn Jahren zwei Stunden pro Woche auf diesem Social-Media-Kanal herumgelungert bin, sind das über 500 Stunden. Zwei Wochen Ferien, Sonne, Wind und Wellen, kühle Drinks und Lachen mit Freunden, sind 336 Stunden. Oder eine Stunde pro Tag Couchsurfen entspricht zwei Wochen Meersurfen pro Jahr. Noch Fragen? Genau eine: Wie lösche ich dieses Couchsurfkonto am schnellsten?
Wenn ich es herausgefunden habe, sage ich Ihnen ins Gesicht, dass Sie mir gefallen, und brauche den Daumen höchstens noch zum Klingeln an Ihrer Tür. Was nützen mir ein paar hundert virtuelle Freunde, wenn ich mit jemandem reden, lästern, spielen, lachen oder kuscheln will? Ich freue mich auf die wiedergewonnene Zeit, ich werde sie mit Freude und Freunden füllen. Vielleicht auch nur mit Nichtstun oder aus dem Fenster schauen und davon träumen, wo alles ich noch Surfen werde.
herzlichst
barbara esther
newsletter abonnieren