«Mein Freund sagt, Du hättest ihm zugezwinkert.» Sie sagte das leicht vorwurfsvoll, vor allem aber erstaunt. Ich staunte auch. Sie war meine Banknachbarin in der Oberstufe, ihr Freund alter österreichischer Adel. Sie hatte ihn vor kurzem kennengelernt. Es war ihr erster Freund. Am Klassenfest stellte sie ihn vor. Ich erinnerte mich kaum. Aber ich blinzle viel. Damals und heute. Ich habe trockene Augen. Auch wenn mir Prinzen vorgestellt werden, für die ich keine Schwäche habe. Jedenfalls heiratete meine ehemalige Banknachbarin den Prinzen. Zehn Jahre und zwei Kinder später war er weg. Vielleicht, weil eine mit einer Schwäche für Prinzen zwinkerte.
Flirten ist ein wunderbares Spiel. Fördert das Selbstbewusstsein, regt die Blutzirkulation an, testet die Schlagfertigkeit. Aber nicht ganz ungefährlich. Früher nicht und heute erst recht nicht. Überhaupt wird heute viel weniger geflirtet. Und das hat nicht nur mit dem zunehmenden Alter oder einer langen Beziehung zu tun. Wohl aber mit #MeToo. Mann verzichtet lieber auf das Spiel mit dem Feuer als sich die Finger zu verbrennen.
Übrig bleibt das Nett sein. Ich meine jetzt nicht die Netten, die immer und überall zu allen gleich nett sind und vor Nettigkeit triefen. Ich ziehe definitiv diejenigen vor, die mir heute sagen, du nervst, und morgen, du bist wunderbar. Mit Ehrlichkeit kann ich umgehen. Bei den Netten rutsch ich an der glatten Oberfläche ab.
Ich meine die echt Netten, die frau einfach mag, die ihr das Gefühl geben, respektiert und ernst genommen zu werden oder gar etwas Besonderes zu sein. Es sind die besten Verkäufer, die geliebtesten Lehrerinnen, die geschätztesten Arbeitskollegen. Ein Lächeln, ein Kompliment, ein freundschaftlicher Schubs in die Seite. Ist der Flirt zurück oder macht er das mit allen so?
Mir kommt der alte österreichische Adel in den Sinn. Ein Irrtum nur, vielleicht hätt er sichs gewünscht. Ein kühner Traum, das Aug bleibt trocken.
herzlichst
barbara esther
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