ganz bei Ihnen

«Da bin ich ganz bei Ihnen», sagt der Kunde am Telefon. Instinktiv halte ich den Telefonhörer ein wenig von mir weg. Um Himmelswillen, er kann meine Meinung teilen, mit mir einig sein, mir Recht geben. Aber alles, was Recht ist, ganz bei mir will ich den fremden Mann nicht haben.

Ich habe die Redewendung dieses Jahr erstmals gehört, immer im beruflichen Umfeld. Wenn mich eine Freundin trösten will, wenn ich weine, wenn sie bei mir sein will, ist das gut. Aber das plötzlich jeder, der meiner Meinung ist, bei mir sein will, geht zu weit.

Woher kommt diese neue Ansage? Die Suchmaschine trifft auf die Bibel, auf Psalm 23, «der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, … denn Du bist bei mir…» Nichts von neu. Vielleicht will man damit in der digitalen Bürowelt neue Nähe schaffen, vielleicht kommt sie aber einfach aus einer anderen Sprache, naheliegend aus dem Englischen «I’m with you». Vielleicht ist die Bedeutung dort eine andere. Übersetzen ist mehr als ein paar Worte in einer anderen Sprache, übersetzen ist auch Kultur transportieren. Barack Obamas «yes, we can» wird bei Angela Merkel zu «wir schaffen das».

Sind Sie jetzt ganz bei mir? Müssen Sie nicht, wollen Sie nicht, ich stehe an der Bushaltstelle im Regen, und es ist kalt. Es genügt, wenn Sie meine Meinung teilen, mit mir einig sind, mir Recht geben.

herzlichst
barbara esther

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