Insel der Sonnenuntergänge

Nein, ich schreibe jetzt keinen Kitschroman. Wobei manchmal darf ein bisschen Kitsch schon sein. Wenn denn Natur Kitsch ist. Ich war kürzlich auf der Partyinsel. Das ist ein Vorurteil, und Vorurteile lohnen sich insofern, als sie uns Türen öffnen, durch welche frau nie hatte gehen wollen.  So habe ich die Vororte und Partyplakate aufs Schnellste hinter mir gelassen und im Hafen das Schiff bestiegen. Ohne Zögern haben wir die Leinen gelöst, und sind durchs Blaue ins Türkise gesegelt, wo bald der Anker fiel, und ein neues Farbenspiel begann. In zartestem Gelb über Orange und Rot bis ins dunkelste Violett sank die Sonne ins Meer. Ein solcher Kitsch war selbst der Natur zu viel. Wir lasen tags darauf, dass die Rauchwolken der kanadischen Waldbrände das Mittelmeer erreicht haben und mit ihren Partikeln das Farbspektrum multipliziert haben.

Dennoch dem Zauber der Sonnenuntergänge unterliegt die ganze Insel. Scharen von Menschen pilgern jeden Abend an die Westküste. Ob auch Partygängerinnen darunter sind, weiss ich nicht. Ich glaube viel eher, an der Westküste finden die eigentlichen Partys statt. Mit Bussen, Schiffen, Autos, Fahrrädern oder zu Fuss machen sich die Menschen auf, und lassen sich an den Stränden nieder. Dicht an dicht sitzen, stehen sie, still, andächtig. Manchmal schallt klassische Musik übers Wasser. Und wenn die Sonne dann im Meer versunken ist, klatscht die Menge dem wahren Popstar der Insel zu. Hühnerhautmoment, sich staunend einlullen lassen von diesem Ritual, das, ich weiss es nicht, vielleicht auf die alten Hippies zurückgeht, die die Insel seit den 60iger Jahren immer noch bevölkern, und in uns die Sehnsucht nach der Sehnsucht weckt.

herzlichst
barbara esther

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