Sattsehen

Ich weiss jetzt, wo das Blau erfunden wurde. Auf dieser kleinen Insel im Meer, wo die Felsen zerklüftet und löchrig geworden, sich gegen den Sog dieses unendlichen Blaus stemmen. Nirgend wo sonst, gibt es so viele Blau. Schon bei meinem ersten Besuch auf dieser Insel fiel mir die Farbe des Meeres auf. Wir lagen im Hafen, warteten auf ein Zeitfenster zum Auslaufen. Dann, am Morgen des Aufbruchs undurchdringliche See, vom schwärzesten Blau, das ich je gesehen habe, als segelten wir über flüssiges Metall. Heute tiefes Blau, in dem sich das Auge festsaugt, sich die Betrachterin verliert. Unendlich dehnt es sich unter der weissen Kuppel des Leuchtturms. Später am Strand kräuseln sich über ockerfarbenem Sand lichte Wellen, spielen mit einem Hauch Türkis, verdichten sich ins Petrol, rollen ins Himmelblau und verlieren sich am Horizont im dunkelsten Blau. Zwiesprache mit dem Himmel, Spiegelungen von der Erde. Dann in der kleinen Felsenbucht Farbenspiel in Grün. Die Wellen plätschern um Kiesel, Steine und Felsen, goldengrün bis sattoliv malen sie ein sanft sich wiegendes Bild auf die Oberfläche. Bis der Nordwind sein Spiel treibt, Gischt übers Wasser jagt und trübe Wellen sich am Ufer grau ergeben. Sattsehen ohne je satt zu werden.

Ich habe blau gemacht unter dem blauen Himmel am blauen Meer auf eben dieser Insel. Deshalb der Newsletter verspätet. Übrigens, blaumachen kommt aus der Zeit, als die Färber am Montag die in Indigo eingelegte Wolle an der Sonne trocknen und blau werden lassen mussten. Derweil konnten sie faulenzen oder eben, blaumachen.

Viele blaue Stunden Euch.

herzlichst
barbara esther

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