Schiffe anbinden

Mit dem Auto fahre ich in eine Parklücke, steige aus und gehe davon. Mit dem Schiff ist das anders. Wind, Wellen und Strömung lassen es schaukeln und schwojen. Ich muss es anbinden. Mit zwei bis fünf Tauen und Seemannsknoten. Einen Mastwurf, einen Palsteck und eine Klampe belegen, muss ich können. Eine gute Skipperin kann allein anlegen. Sie muss vorbereitet sein und wissen, was, wo, in welcher Reihenfolge gemacht werden muss. Zu zweit geht es nicht unbedingt besser. Unterstützung vom Land, von einer Bootsnachbarin etwa, hilft.

Auf den Juraseen gibt es jeden Sommer Anschauungsunterricht. Einige nennen es Hafenkino: In der Hafeneinfahrt taucht ein Motorboot auf. In der Regel mit Mann am Steuer und Frau auf dem Vorschiff, wahlweise mit nichts, einem Fender oder einem Tau in der Hand. Der Mann ruft, die Frau versteht nichts. Ist es windstill und am Steg steht die nette Bootsnachbarin, gelingt das Manöver in der Regel früher oder später.

In Estavayer will ein Motorbootfahrer längsseits am Steg anlegen. Beim ersten Versuch wird er abgetrieben. Die Passagiere kümmerts nicht. Schliesslich gelingt es doch, und der Skipper stellt sich mit einem Fuss auf den Steg, mit dem anderen bleibt er auf dem Boot, mit den Händen nestelt er an einem Bündel Tau. Ein Windstoss, eine falsche Bewegung und der Mann ginge im Spagat baden.

Einen Tag später in Chevroux: Mann am Steuer, Frau auf dem Vordeck eines neueren Motorbootes. Der Westwind pfeift, der Motor heult. Mit dem Bug soll das Boot an den Steg, mit dem Heck an die Boje. Die Frau wühlt in den Tauen, der Mann hantiert mit dem Bugstrahlruder. Das Boot überfährt die Boje. Ihre Kette schlingt sich um die Schraube. Der Motor blockiert. Am nächsten Morgen befreit der Hafenwart Boot und Paar.

Hafenkino hat nicht nur Unterhaltungswert. Eine Leine in der Schraube braucht in der Regel einen Taucher, ein sorgloser Matrose, der zwischen Schiff und Steg fällt, eine Ambulanz. Schiffsführung ist lernbar, Rollentausch auch. Vielleicht kann die Frau besser steuern und der Mann auf Stege springen, Taue werfen und Knoten schlingen?

PS: Es ist nicht zufällig, dass die Beispiele Motorboote betreffen. Motorbootfahren wird unterschätzt. Seglerinnen sind anders unterwegs. Nicht nur mit Wind, auch mit dem Wissen, wie Segel setzen, Taue, Fallen und Schoten bedienen.

herzlichst
barbara esther

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