Schockverliebt. Ein Wort, das man sich nicht auf der Zunge zergehen lassen kann. Es verhakte sich zwischen den Zähnen wie Fischgräte. Zum ersten Mal habe ich es im Zusammenhang mit einem kleinen Schwein gehört. Wir gingen über die staubige Strasse, der Himmel hing tief über die Insel, der Wind trieb immer wieder Regentropfen vor sich her. Dann sahen wir sie. Rechts im hohen Gras, eine grosse Muttersau und ihre sieben oder acht Ferkel. Rostrotes Fell mit schwarzen Punkten, wir tauften sie Leopardensäuli und konnten uns nicht sattsehen. Die Freundin lockte sie, die Ferkelchen stürmten neugierig vorwärts und schnüffelten mit ihrem rosa, erdverschmutzten Steckernäschen an ihrer Streichelhand. Später postete ich ein Bild in unserer WhatsApp Gruppe, sie antwortete postwendend mit, «ich bin schockverliebt». Ich dachte nur, na ja, wenn man sich in ein Schwein verliebt, mag das ein Schock sein.
Ein paar Wochen später taucht das Wort wieder auf. Gleich zweimal, ich weiss nicht mehr wo, aber es fällt mir sofort auf. Also hat es die Freundin nicht erfunden. Wieder einmal hilft Google: Schockverliebt ist das Debütalbum des deutschen Sängers Eric Philippi. Es erschien 2021. Nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen deutschen Schlager habe, aber ein solcher Text über die Liebe, da ist tatsächlich der Schock nicht weit.
Sich verlieben ist an sich nichts Schockierendes, dieses Wort für mich deshalb ein Widerspruch. Ich hab’s da eher mit den Franzosen, wünschte mir einen coup de foudre, auch mit der Liebe auf den ersten Blick könnte ich leben. Und wenn es denn passiert, habe ich Schwein gehabt und bin nicht schockiert.
herzlichst
barbara esther
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